Einen Pullover von unten oder von oben zu stricken, bietet verschiedenste Vor- und Nachteile. Damit dir ein solches Projekt auch mit wenigen Grundkenntnissen Spaß macht und gelingt oder dich als erfahrene Strickerin mit Freude erfüllt und fordert, kann durchaus von diesen beiden Methoden beeinflusst werden. Aber welche ist nun die richtige? Schauen wir uns beide Techniken doch mal genauer an:
Pullover stricken von unten
Den Pullover am Bündchen zu beginnen und ihn dann nach oben bis zu den Schultern hoch zu stricken, hat eine lange Tradition und kann für verschiedene Strickweisen genutzt werden. Dabei werden die Ärmel meist separat gearbeitet.
Mögliche Arbeitsweisen
Das Strickstück kann mit dieser Methode einzeln in Vorder- und Rückenteil, also flach in Hin- und Rückreihen gearbeitet oder bis zu den Achseln rundgestrickt werden. Bei der ersten Variante werden die Teile inklusive der Ärmel zum Schluss zusammengenäht. Beim rundgestrickten Rumpfteil gibt es drei Möglichkeiten:
- 1. > Die Arbeit wird in Achselhöhe geteilt und auch hier im vorderen und hinteren Bereich einzeln hochgestrickt, dann an den Schultern zusammengenäht. Sind die Ärmel separat und ebenfalls vom Bündchen beginnend hochgestrickt, kann dies in der Rund- oder Flachstrickweise erfolgen. Zum Schluss müssen aller Teile zusammengenäht werden.
- 2. > Der Körper wird wie bei 1. fertiggestellt und aus dem so entstandenen Ärmelloch können nun direkt die Maschen für den Ärmel aufgenommen und in Runden über den Oberarm in Richtung Bündchen gestrickt werden. So entfällt hier das Annähen der Ärmel.
- 3. > Die separat in Runden gestrickten Ärmel werden ab Achselhöhe mit dem Rumpfteil zusammengefasst und durch gezielte Abnahmen in die weitere Rundstrickweise integriert.
Der Unterschied zwischen Rundpasse oder Raglan von unten
Die Arbeitsweise des 3. Punktes wird bei Rundpassen oder Raglanpullover angewendet, jedoch unterscheiden sich die Abnahmen wie folgt::
- Rundpasse: Der bis zu den Armausschnitten gestrickte Körper und die separat gefertigten Ärmel werden miteinander verbunden, bevor die Arbeit an der Rundpasse beginnt. Dabei erfolgen die Abnahmen in gleichmäßigen Abständen und nahezu unsichtbar in sogenannten Abnahmerunden, sodass ein stabiler, jedoch nahtloser und harmonischer Übergang zwischen Körper und Schultern entsteht.
- Raglan: Die ebenfalls einzeln gestrickten Ärmel werden auch hier mit dem Rumpf zusammengefügt, bevor die Abnahmen durch Raglannaht gebildet werden. Diese Naht entsteht, indem in bestimmten Abnahmerunden an jeweils 4 markierten Punkten vorher und hinterher je zwei Maschen zusammengestrickt werden. So ergeben sich die für den Raglan typischen schräg verlaufenden Linien von der Achselhöhle bis zum Halsausschnitt. Je zwei auf Vorder- und Rückseite des Pullovers, die sogenannten Raglanlinien. Diese Konstruktion sorgt für eine stabile Schulterpartie und gleichmäßiger Bildung der Ärmel.
Vorteile des Strickens von unten
- Die Konstruktion hat sich über Jahre bewährt, die Struktur ist klar und die Methode mit vielen erprobten Anleitungen weit verbreitet.
- Die Schulterpartie ist durch die Verbindung von Ärmeln und Rumpf stabil und ein festes Bündchen gibt dem Pullover Halt.
- Diese Arbeitsweise eignet sich besonders für aufwendige Muster wie Zöpfe, Hebemaschen oder Intarsien.
Nachteile des Strickens von unten
- Während des Strickens ist eine Anprobe und Überprüfung der Passform so gut wie unmöglich
- Korrekturen sind im Nachhinein schwierig.
- Beim Anfertigen einzelner flachgestrickter Teile erfordert das abschließende Zusammennähen viel Zeit und zusätzliches Geschick.
Pullover stricken von oben
Hier beginnst du am Halsausschnitt und arbeitest dich nach unten. Diese Strickweise erfolgt meist in einem Stück, das heißt, es wird komplett nahtlos gestrickt.
Unterschiedliche Arbeitsweisen bei Rundpasse und Raglan von oben
Sie gestaltet sich ähnlich wie bei der Arbeitsweise von unten, nur dass hier Zunahmen statt Abnahmen gestrickt werden müssen:
- Rundpasse: Die Passe wird zunächst vom Halsausschnitt beginnend nach unten gearbeitet, indem gleichmäßig über die sogenannten Zunahmerunden Maschen quasi unsichtbar herausgestrickt werden. Damit die Schulterpartie gut umschlossen wird, bekommt die Passe durch die regelmäßigen Zunahmen zunächst eine kreisförmige Rundung. Erst beim Erreichen der endgültigen Maschenanzahl, die beim Trennen von Körper und Ärmel erforderlich ist, erhält der Pullover seine endgültige Form.


- Raglan: Auch hier beginnst du am Halsausschnitt und nimmst nun an den Raglanlinien die Maschen entsprechend zu. Durch diese auf 4 Linien begrenzte Aufteilung entsteht eine gleichmäßige Passform für Körper und Ärmel, die bei Erreichen der Achsel voneinander getrennt und separat bis zum Abschlussbündchen gestrickt werden.
Vorteile des Strickens von oben
- Ein Anprobieren ist während des Strickens jederzeit möglich und ermöglicht somit eine gute Kontrolle für die Passform.
- Der Pullover wird in einem Stück gefertigt und damit entfällt das zeitraubende Zusammennähen einzelner Teile.
- Bei dieser Machart lassen sich sowohl der Rumpf als auch die Ärmel leicht in der Länge variieren und anpassen.
Nachteile des Strickens von oben
- Der Beginn des Halsausschnittes kann ein wenig herausfordernder sein und braucht vielleicht etwas Übung. Besonders, wenn durch verkürzte Reihen erreicht werden soll, dass der Ausschnitt hinten höher als vorne sitzen soll.
- Komplexe Muster oder Farbwechsel können bei dieser Herangehensweise schwieriger sein.
Die anfängerfreundliche Methode
Die Arbeitsweise von oben, auch Top Down genannt, eignet sich für Anfänger besser, da der Pullover während des Strickens immer wieder anprobiert und entsprechend schnell angepasst werden kann. Das Strickvolumen eines solchen Oberteils kann außerdem verringert werden, wenn du dich statt für einen Pullover mit langem Arm zunächst für das Stricken eines Kurzarmpullovers entscheidest.
Tipps, die die Top-Down-Methode zusätzlich vereinfachen
- Raglan statt Rundpasse: Gleich mit einer Rundpasse zu beginnen, bedeutet ebenfalls, sich mit einem Strickmuster für die Verzierung der Passe auseinandersetzen zu müssen. Die Raglanlinie ist einfach durch Maschenmarkierer zu kennzeichnen und weißt konkret und ohne zu zählen auf die Zunahmen hin.
- Glatt rechts stricken: Ausschließlich rechte Maschen stricken zu können, erleichtert den doch etwas komplexeren Arbeitsaufwand eines Pullovers und erfordert deutlich weniger Konzentration.
- Dicke Wolle anstelle von dünner: Wenn du dich für dickere Wolle mit einer entsprechenden Nadelstärke entscheidest, wird dein Pullover vermutlich einen etwas gröberen oder rustikaleren Look erhalten. Aber dafür wirst du schnellere Erfolge erzielen – beim Fortschritt sowie bei der Fertigstellung.
Fazit: Die beste Methode
Welche der beiden Methoden nun die bessere ist, lässt sich nicht ohne weiteres sagen. Denn beide Arbeitsweisen haben ihre Stärken.
- Pullover stricken von unten, auch unter Bottom up bekannt, ist eine klassische Variante, die bereits unzählige Traditionspullover hervorgebracht hat. Entscheidest du dich für eine komplexe Musterstruktur oder eine herausfordernde Farbgestaltung, bist du sicher schon recht erfahren und kannst die Proportionen auch ohne ständiges Anprobieren gut abschätzen. Zusätzlich verfügst du bei dieser Machart vielleicht auch über die Fähigkeit, Körper- und/oder Ärmellänge im Nachhinein noch anzupassen.
- Pullover stricken von oben bietet deutlich mehr Flexibilität bei der Anpassung während des Strickprozesses. Regelmäßiges Anprobieren kann der noch nicht so erfahrenen Strickerin ein besseres Gefühl der Überprüfbarkeit vermitteln. Hier ist vor allem die anfängerfreundliche Technik des Raglan Strickens zu empfehlen.
Letztendlich ist es aber deine persönliche Entscheidung, welche Methode du stricken möchtest. Vielleicht möchtest du dich fordern, vielleicht aber auch entspannt stricken… Egal für welche Variante du dich entschließt, Pullover zu stricken ist eine wundervolle Erfahrung, die dir Spaß und Freude bereiten sollte!
Wie du mit mir arbeiten kannst
Du hast noch nie einen Pullover von unten oder oben gestrickt und traust es dir nicht ohne Unterstützung zu? Oder ist bei dir ein solcher bereits in Arbeit, schlummert jedoch schon lange als unfertiges Objekt (unter Strickerinnen als UFO bezeichnet) in deinem Stickkorb? Dann melde dich bei mir per Mail für ein kostenloses Erstgespräch und wir überlegen gemeinsam, wie es weitergehen könnte.
Ich freu mich, dich auf deinem Weg begleiten zu dürfen. Denn Pullover stricken ist weitaus mehr als nur ein Zeitvertreib – es wird dich wichtige Dinge für dein ganzes Leben lehren. Finde es heute noch heraus!
Herzlichst, deine Vera
Das ist ja eine coole Idee, von oben einen Pulli zu Stricken. Davon habe ich bisher noch nie gehört. Werde ich mit deinen Empfehlungen ausprobieren, liebe Vera.
Herzliche TCS-Grüße zum
Sonntag, Jutta 🌬️💚
Hallo Jutta,
wie schön, dass ich dir eine neue Herangehensweise aufzeigen konnte! Ich bin sehr gespannt, ob du damit zurecht kommst und wie es dir gefallen wird.
Hab noch einen entspannten Abend,
Vera
Liebe Jutta,
Bisher habe ich Pullover von unter gestrickt. Nun arbeite ich mich an einem Norwegerpulli für meinen Mann ab.
Erst einmal von unter – zu eng – aufgeribbelt
Dann von oben – zu weit – aufgeribbelt
Noch mal von oben – hinten am Hals zu tief – aufgeribbelt
Vierter Versuch – scheint zu klappen
Dabei musste ich das Muster anpassen, weil die Anleitung meines Erachtens nicht so ganz richtig ist und Freestyle etwas dazu erfinden. Ich bleib dran!
Ich freue mich auf mehr von dir.
Liebe Grüße, Birgit
Liebe Birgit,
wow, das nenne ich Durchhaltevermögen! Dann drücke ich dir jetzt ganz fest die Daumen, dass der 4. der letzte Versuch bleibt und dein Mann bald einen tollen Norwegerpullover tragen kann.
Ich stricke Anleitungen auch sehr selten 1:1 nach, sondern mache immer persönliche Anpassungen, damit alles richtig sitzt.
Fun Fact von meinem letzten Norwegerpullover: Mein Mann hatte sich auch einen gewünscht, das Muster und die Farben selbst ausgesucht. Nachdem ich mich schon über die dezente Passe gefreut habe, musste ich festzustellen, dass sie teilweise mit 3 Farben in einer Runde gestrickt wird. Beim 2. Mal Passe stricken hat es dann mit der Fadenspannung gepasst… Man lernt eben nie aus!
Danke für deine Ermutigung für mehr! Ich bleib auch dran 😉
Herzlichst, Vera
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